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… ich wieder einmal die Kanzlerinnenterrasse nutzen dürfte?

… ich wieder einmal die Kanzlerinnenterrasse nutzen dürfte?

Ulrich Deppendorf, der karrieregeilste, eitelste, als Kollegenschwein verhaßteste der sogenannten Hauptstadtjournalisten der ARD, bellt mehr, als er spricht. Hat er einen Kommentar, sind die »Tagesthemen« jedes Mal am Ende.

Am Mittwoch hat er den Deutschen bellend unterstellt, wer dem Ackermann seine Teestunde mit Angela Merkel auf deren Terrasse neide, wolle nur selbst zu ihr eingeladen sein. Es ist nämlich ein Wettbewerb im Lande ausgebrochen: Wer gute Taten für das Gemeinwesen vollbringt und womöglich auch noch einen runden Geburtstag hat, bekommt nicht den Karl-Marx-Orden in die Brust gejagt, sondern darf auf die Kanzlerinnenterrasse. In den Biographien liest man dann: In Würdigung seines Lebenswerkes war W. (also z. B. Wedel) im Altweibersommer 2009 auf die Kanzlerinnenterrasse eingeladen, wobei es zu einem Meinungsaustausch mit der Kanzlerin, die sich durch ihre Büroleiterin vertreten ließ, kam und ein offizielles Foto (»Herr Dr. W. blickt von der Kanzlerinnenterrasse aus auf das geeinte Berlin, Hauptstadt der BRD«) entstand. Die Einladung auf die Terrasse ist protokollarisch der Audienz beim Papst gleichgestellt, liegt in ihrer Bedeutung weit über dem »Fotografieren vor der Truppenfahne« und ist selbst einer Beisetzung an der Kremlmauer vorzuziehen.

Wie ich damals, im Dezember 2007, zu der Ehre kam (Deppendorf war vor mir dort – die bediensteten Zeitarbeiter mit 3,50 Euro Stundenlohn berichteten mir noch immer schaudernd, er habe seine Schuhe, sogenannte Slipper ausgezogen, woraufhin die Kanzlerin sofort die Terrasse lüften ließ), weiß ich nicht. Vielleicht durch eine Verwechslung mit dem Schöpfer schlechter Fernsehstücke, Dieter Wedel, mit dem mich auch schon einmal das Willy- Brandt-Haus verwechselte und mich zu einer »Verkostung erlesener Weine « bat (erst als sie eine Parteispende von mir haben wollten, sagte ich, daß ich unmöglich Dieter Wedel sein könne, da war ich aber schon betrunken). Manchmal werden auch Leute ohne erkennbares Verdienst auf die Terrasse vorgelassen, weil sie ein schlimmes Schicksal tragen – z. B. einen Flugzeugabsturz überlebten, in Afghanistan das Hörvermögen einbüßten, absehbar bald sterben werden oder infolge eines Justizirrtums 16 Jahre unverschuldet im Strafvollzug verbrachten. Ich fragte die Kanzlerin natürlich nicht, wie ich zu der Ehre gekommen sei, hätte sie sich dann doch nolens volens & expressis verbis lobend über mich äußern und beispielsweise ganze Passagen aus meinen Texten für die junge Welt, die ihr besonders gefallen haben, memorieren müssen …

Weil Frau Merkel und ich promoviert sind, sprachen wir uns mit Frau Dr. und Herr Doktor an, wobei ich nach Lage der Dinge »Frau Dr.« zu ihr sagte. Das ist so ein kleines ironisches Spiel unter Akademikern. Sie hat einen umwerfenden Humor und gleichermaßen umwerfenden Charme und umwerfend blaue Augen. Dennoch kommt man nicht eine Sekunde lang auf die Idee, ihr Bürosex anzubieten. Auch Deppendorf, der sonst keine Praktikantin unbeschädigt entkommen läßt, hat das unterlassen.

Gespeist wird immer dasselbe – und damit hat Deppendorf Recht: Eine Sause, eine Orgie, ein Bacchanal zu Lasten des Steuerzahlers ist nicht im Gange. Zu Beginn gibt es irgendwas Vereistes und Verkekstes mit Erdbeeren, dann die ewige Spargelcremesuppe der Bundestagsverwaltung im Silbertäßchen. Ein Hauptgang wird wegelassen, weil er angeblich einer EU-Richtlinie widerspricht, und dann wird ein Gläschen Sekt gereicht.

Der Meinungsaustausch, der wegen möglicher Kontrollen durch den Haushaltsausschuß obligatorisch ist, verläuft so: Kanzlerin: »Na ja, das Wetter heute… « Gast: »Danke für Ihre kluge Politik, die kann auch kein Sonnenschein übertreffen.« (Bei trübem Wetter: »Der kann auch kein Regen etwas anhaben. «)

Ich kann nur bestätigen, was die Kanzlerin in der Causa Ackermann nicht müde wird zu betonen: Die »notwendige Distanz« wird gewahrt. Zum Abschied sagt die Kanzlerin: »Ich gehe schon mal voran, mein Fahrer wartet. Vergessen Sie bitte nicht, die Kaffeemaschine auszuschalten und beim Pförtner Bescheid zu sagen, daß Sie durch sind.« Distanzierter geht es nicht!

Wenn ich wieder einmal zu Frau Dr. eingeladen würde, ich schlüge statt meiner Person einen anderen verdienstvollen Bürger vor, z.B. Kalle Ebersbach, genannt »Raffi«, wegen seiner Zähne. Aber den kennt ja keiner.

Junge Welt, 28. August 2009

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