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… wir Brandenburg nicht hätten?

…wir Brandenburg nicht hätten?

Dann hätten wir auch das seltsame Sachsen-Anhalt nicht, dessen Städte sich zu flächenmäßig bedeutsamen Einheiten zusammenschließen und für sich mit der »Kultur der leeren Räume« um Touristen mit dem leeren Blick werben. Dann hätten wir das wegen seines Sandstreifens im Norden gern besuchte Mecklenburg-Vorpommern nicht, mit dem bekannten Schweriner Original Erwin Sellering an der Spitze. Und wir hätten den MDR nicht, ohne den der alte DDR-Bürger nie und nimmer zu einem neuen Menschen gereift wäre. Thüringen wäre zwar noch Thüringen, besiedelt von hinterhältig-leutseligen Menschen mit dem Thüringer-Gen, aber nicht das Thüringen, dem Bernhard Vogel den Hauch der Freiheit über die befichteten und betannten Bergrücken geblasen hat. Und von »Sachsens Glanz« könnten wir nicht schwärmen, sondern müßten sagen »Glanz der Bezirke Chemnitz und Dresden«. Die Frauenkirche wäre die Attraktion einer Bezirksstadt, wenn es sie überhaupt gäbe.

Die DDR (das den jungen Lesern) hatte keine Länder, keinen Länderfinanzausgleich, und Bildung war nicht »Ländersache«, sondern Staatsräson. Das ist der Unterschied von föderal und diktatorisch. Nicht nur Deutschland wurde in ganzer Schönheit wiederhergestellt, sondern auch die Länder. Bis heute weiß niemand im Osten, warum und was das sollte. Als ob man nicht auch mit Bezirken Föderalismus hätte spielen können! Zwei Gründe sind zu vermuten: Es sollte alles wieder sein »wie früher«, bevor der deutsche Kapitalismus einen Weltkrieg vergeigt hatte. Denn die Kommunisten/Russen hatten – das kann heute jeder im Internet lesen – die alten Länder »zerschlagen« kurz und klein gehackt. Die westdeutschen Beamten konnten unmöglich zu Abteilungsleitern beim Rat des Kreises Löbau degradiert werden. Biedenkopf wäre nicht Vorsitzender des Rates des Bezirkes Dresden geworden. Und wenn – dann nur im Parteiauftrag.

So entstanden fünf kleine Königreiche, in denen man es bei Hofe, wenn man aus dem Mutterlande herbeieilte – zu was bringen konnte. Die dort eingeschlafenen Kanzleiseelen erwachten hier und stellten bundesdeutsche Ordnung über das vierzig Jahre lang abtrünnige Drittel des Vaterlandes her. Die künftigen Landeshauptstädte waren verstopft von den rauschend daherschreitenden Herren in den langen Mänteln.

Zuerst bediente man sich willfähriger Bezirksverweser. Sie lösten alles auf und kontrollierten die Inventarnummern an den Büromöbeln. In Potsdam vollzog das Jochen Wolf, ein Sachse, der in Potsdam die SPD gründete, ihr vorstand und zwischen all den Aufbauterminen zweimal versuchte, seine Gattin (eine sogenannte Altlast) blutig aus dem Wege zu räumen.

Dann kamen die Landesregierung und mit ihr die Herren Stolpe, Platzeck, Schönbohm und die Fähigkeit, vermittels subtilen Regierungshandelns in buchstäblich allen Ressorts Chaos und Unheil anzurichten, wie es sie im Bezirk Potsdam nicht an einem einzigen Tag, den Gott werden ließ, gegeben hatte – allerdings damals unter der blutigen Diktatur von Günther Jahn, um nur den letzten von Moskaus Schergen zu nennen. Sagenhaft war die Verwirrnis im Umweltministerium des Platzeck, ihm mußten ständig ordnungspolitische Aufpasser neben den Schreibtisch gestellt werden. Er überzog das Land mit überdimensionierten Kläranlagen. Die Schule funktionierte praktisch gar nicht mehr. Die Gesundheitsversorgung brach zusammen. Ein Großprojekt des kapitalistischen Aufbaus nach dem anderen blieb als Ruine zurück. Nur die Karrieren der Ministerialbürokraten machten Fortschritte. Daneben natürlich die justizfeste Übergabe ostdeutschen Grund und Bodens an plötzlich auftauchende westdeutsche Anspruchsberechtigte. Außerdem konnte man sich auf die Stasi-Behörde und auf die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln verlassen. Dann kam die Flut, und alles hätte gut werden können…

Heute verlangt das Land Brandenburg vor allem Heimatliebe. Der Liebe zur heimatlichen Furche ist eine Kampagne der Regierung nach der anderen gewidmet. »Der Brandenburger« als fleischgewordener Liebender wurde geboren. Es ist der Ministerpräsident selbst, der sich beispielhaft in ekstatischer Hingabe an »die Mark« verzehrt. Liebe haben die Bezirke Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder eigentlich nie verlangt. Doch ohne Liebe – was für ein trostloses Leben!

Junge Welt, 24. September 2010

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