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… Gauck gewönne?

… Gauck gewönne?

Es ist ja nicht so, daß das Amt seine Träger zu lächerlichen Figuren gemacht hätte. Es waren durchweg sozial auffällige, zum Teil gestörte, von Marotten und Ticks geplagte, nicht selten in einer bipolaren Disposition (manisch und depressiv) gefangene Personen, denen es zufiel. Solange sie ohne äußere Autorität durchs Dorf schlichen und nach Pfandflaschen kramten, galten sie als Originale und man rief sie bei ihren verballhornten Vornamen: Hannes, Hotte, Heini. Einmal auf den Thron gehoben, mußten sie sich jedoch keinen Zwang mehr antun. Psychische Extrema galten fortan als Ausweis einer großen, einmalig entfalteten Individualität.

Dazu war ja die »Funktion« des Kaisers da, als deren Ersatz das Bundespräsidentenamt einst geschaffen wurde. Der Kaiser mußte ob seiner Exaltiertheit gefürchtet sein, eine Unberechenbarkeit, die auch die politische Kaste in Atem halten sollte: Aus einer Laune heraus konnte der Kaiser jederzeit eingreifen und Kriege zur Freihaltung der Handelswege beginnen. Die Hauptaufgabe des Amtes, die Repräsentation, war einerseits stets die Leidenschaft der Kaiser und Bundespräsidenten, anderseits aber auch die größte Hürde für sie: Würden ihre Ticks mit dem Protokoll korrelieren? Man litt mit ihnen. Das Amt machte sie vollends zu Witzfiguren.

Denken wir nur an den bibelbesessenen, unablässig Schnurren leiernden sozialdemokratischen »Menschenfischer« Johannes Rau mit seinem obszönen Versöhungsgefasel (in einer Zeit, in der ostdeutsche Andersdenkende systematisch politisch verfolgt wurden). Die wandernde Knalltüte Carstens! Der schon in jüngeren Jahren senile Stimmungssänger Scheel! Lübke, der biedere, vergeßliche (Kurz- und Langzeitgedächtnis) Nazi! Roman »Der Ruck-Sack« Herzog!

Kein gesunder, auf erfrischende Sexualerlebnisse und anderen Lebensgenuß orientierter Mensch wird dieses Amt anstreben. Schon gar keiner, der etwas vorhat mit der Gesellschaft, in der er leben muß (und sei es, sie nachhaltig zu erledigen). Nur ein in Wahrheit bemitleidenswerter Mensch will auf diesen Stuhl.

Gauck ist ein idealer Kandidat. Man kennt ihn seit zwanzig Jahren und kann, auch ohne Gutachter bei Gericht zu sein, voraussagen, was mit ihm geschehen wird. Es hilft, sich an die stalinistische Verbissenheit, an die wütende Prinzipienreiterei und die unablässige pastoral drohende Anrufung der abendländischen Kultur zu erinnern, die er als Chef seiner Behörde gezeigt hat. Er hat versucht, den Haß, den er – wie alle Konvertiten, in diesem Fall vom Sozialismus zur »Freiheit« – in sich trägt, zur gesellschaftlichen (zur abendländischen) Umgangsform zu erheben, und das ist ihm weitgehend gelungen. Manipuliationen waren ihm das Mittel der Wahl (Gysi, Heym) – denn im Gauckismus heiligt das Ziel sämtliche Mittel.

Und was war dann? Dann schwätzte er geschwollen und goß seinen Haß in düster raunende Metaphern. Als die alten Feinde spärlicher wurden (und auch – was für ihn noch schrecklicher ist – die Opfer seiner Feinde), sann er auf neue: Ernstlich macht er öffentlich »die Konsumenten« als frisch zu entlarvende Feinde der Freiheit aus. Jeder Konsument muß eine Täterakte kriegen. Er ist offensichtlich krank.

Wäre er Bundespräsident, würde zu all dem gequollen Symbolhaften, das er vor sich herschiebt (»eine Vita mit Brüchen«, »aufrecht gelebtes Leben in düsterer Zeit«), die schiere Lächerlichkeit kommen. Nicht wie Köhler, der sich verschwatzte, sondern wie Gauck würde er in die Politik eingreifen: Er würde verlangen, daß regelmäßig arglose Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche und ihre verschlagenen Pädagogen, in Sälen zusammengetrieben werden, daß die Türen verrammelt werden und die Leute seinen Sermon über die Schönheiten der Freiheit (das Standardrepertoire seit Jahren) über sich ergehen lassen müssen. Er würde die Verfolgung Andersdenkender mit dem subtilen Instrumentarium von Buße, Schuld und Sühne betreiben.

In seiner ersten Amtszeit würden sich die Deutschen im Ausnahmezustand befinden: Moral, Moral, Moral. In seiner zweiten Amtszeit würde er trinken. Denn alles wäre erreicht.

Junge Welt, 06. Juni 2010

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