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… zu Guttenberg den totalen Krieg ausriefe?

… zu Guttenberg den totalen Krieg ausriefe?

Das würde seine ohnehin notgeile Popularitätskurve durchs Himmelsgewölbe knallen lassen. Wahrscheinlich würde er schlagartig so beliebt, wie es der Führer in seinen besten Tagen war. Als Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast den totalen Krieg proklamierte, gab es ein sonderbares Phänomen auf den Berliner Standesämtern: Junge Paare bestanden darauf, den gemeinsamen Namen Hitler anzunehmen (was die Gauleitung Berlin zu verhindern wußte, auch als »Künstlername« für Trapezturner und Bauchredner mit einem lebenden Affen auf der Schulter wurde Hitler gesperrt) und eben entbundene Knaben sollten den Vornamen Hitler tragen, um gegenüber den vielen kleinen Adolfs, die bereits seit dem Fall von Paris herumwimmelten, was Besseres zu sein. Heute würden die Muttis ihren Jungen vielleicht Zu Guttenberg Müller, Meier oder Schulze rufen – Kosename: Gutti. Gutti, komm hoch, Essen ist fertig! Ich glaube, die Hingabe des Volkes an zu Guttenberg würde noch größer sein, als es die an Hitler je war, weil zu Guttenberg ja ein Demokrat ist und man sich nicht für ihn genieren muß. Und weil er sogar den antifaschistischen Widerstand, sozusagen den Stauffenberg, in der Familienrolle hat.

Die Ausrufung des totalen Krieges durch zu Guttenberg wäre ein ungeheuer mutiger Schritt. Wenn man einmal bedenkt, welch ein Mut, welche strategisch glasklare Analyse und Unabhängigkeit im Denken und politischen Handeln dem zu Guttenberg die versammelte Presse bescheinigt, wo er in Afghanistan erst mal ein ganz klein wenig den Krieg ausgerufen hat. Mit seiner beinahe verlegen vor sich hin gemurmelten Formulierung: »Wahrscheinlich ist da unten in dem Scheißmohnanbaugebiet doch so was wie ein Krieg im Gange« hat er geistige Mauern durchbrochen, ja den eisernen Vorhang des Tabus hochgehen lassen! Stefan Heym, lebte er noch, würde wie am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz ausrufen: »Es ist, als hätte jemand die Fenster aufgestoßen«, weil nämlich der frische Wind der Wahrheit jetzt in die vermuffte Stube der verordneten Sprachlosigkeit strömt.

Auch auf die Moral der Heimat – noch sagen wir nicht Heimatfront – hatte zu Guttenbergs couragierte Tat eminente Wirkung. Auf den Wochenmärkten, in den Arbeitsämtern und den Waffenfabriken strömen in diesen Tagen die Menschen zusammen. »Habt ihr schon gehört, unser zu Guttenberg hat den kleinen Krieg erklärt!« ruft man sich zu. Wildfremde Menschen fallen sich auf den U-Bahnhöfen in die Arme, und Frotteure mißbrauchen das zu Körperkontakt. »Endlich müssen wir nicht länger mit der verdammten Lüge leben«, hört man. Und tatsächlich: Allzulange mußten Mütter, Freundinnen und Frauen, deren Söhne, Freunde und Gatten nach Afghanistan gezogen waren, zu Hause gegenüber den Nachbarn so tun, als sei der Kerl auf einer ausgedehnten Puffsafari durch Südostasien. Jetzt dürfen sie sich bekennen. Gestern beobachtete ich in Kreuzberg eine kleine Hausfrauenbalgerei um Südfrüchte. »Lassen Sie mich vor«, rief eine Frau aus der Schlange, »mein Sohn kämpft auch für Sie in Afghanistan.« Die Wartenden wichen ehrfürchtig zurück… Eine Szene, wie man sie sich nicht besser ausdenken könnte.

Auch die Johanniter – oder war es der DRK-Kreisverband Oranienburg? – haben reagiert. Vor 14 Tagen erst ging die Nachricht durch die Agenturen, daß unsere Jungens am Hindukusch in Unterhosen kämpfen, die zwanzig Jahre überdauert haben und aus denen das Braune gar nicht mehr richtig rausgeht. In einer großen Winterhilfsaktion sollen unter dem augenzwinkernden Motto »Wie viele Unterhosen braucht der Mann?« 1000 entbehrliche bis Jahresende an unsere Truppen geschickt werden.

Überhaupt: Die erste reguläre Kriegsweihnacht steht uns bevor. Da möchten sich wohl alle für unsere Guttenberg-Armee etwas Besonderes einfallen lassen. Wie wäre es einmal mit »Wetten, daß..?« aus dem Lager Kandahar? Oder vielleicht ein »Kriegsfest der Volksmusik« mit Florian Silbereisen?

Was die kleine Kriegserklärung zu Guttenbergs für die kämpfende Truppe strategisch und moralisch bedeutet, davon soll hier aus Geheimhaltungsgründen nicht die Rede sein. Nur soviel: Ein mir befreundeter Rekrut mailte nach Hause: »Endlich, jetzt können wir richtig hinhauen!« Und seine Oma, die mir das voller Stolz erzählte, ergänzte freudestrahlend: »Jetzt wird auch ordentlich gefallen.«

Junge Welt, 06. November 2009

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