Blog

… Ai WeiWei ein Künstler wäre?

… Ai Weiwei ein Künstler wäre?

Die Frage ist berechtigt. Es gibt nämlich Menschen (und das sind nicht die besten), die ihn für ein ausgemachtes Arschloch halten. Solch niederträchtigen Vokabulars haben sich diese Menschen auch in vergleichbaren Fällen schon oft bedient. Beispielsweise zur Wertschätzung Wolf Biermanns und dessen zahlreichen in Lyrik, Sologesang und Malerei dilettierenden Gefolges. Biermann machte es diesen Menschen (ausgemachten Lumpen) insofern leicht, als »Arschloch« eine seiner Lieblingsvokabeln ist.

Davon hat sich mancher irritieren lassen. Und so wurde Herrn Biermanns überragendes Künstlertum vollinhaltlich erst spät erkannt, als er die entsprechenden Staats- und Parteipreise in Empfang genommen hatte. Diese vollzogen die Harmonisierung widerstreitender Schübe in der künstlerischen Individualität Biermanns – nämlich seine Leidenschaft, den Sieg über die deutschen Kommunisten erfechten zu wollen (am besten allein), diese Unter den Linden an der Laterne baumeln zu sehen und im selben Augenblick und ohne sichtbaren äußeren Anlaß die Guittarre zu zücken und die Zunge in der Manier des Villon, Brecht, Heine usw. rotieren zu lassen.

So wird es mit dem Ai, wie wir ihn vorsichtshalber jetzt schon liebevoll nennen wollen, auch kommen. Momentan eilt ihm der Ruf eines Cholerikers voraus, der brüllt und droht, gegen kostbare Bodenvasen läuft und mit allem um sich schmeißt, was ihm in die Künstlerhände kommt. Es gibt Menschen (nicht die besten), die darin pathologische Züge erkennen wollen. Aber auch das hat Methode: Widerstand gegen eine blutige Diktatur wird gern als »verrückt« verdächtigt – das haben diese Menschen (nicht die besten!) bei Pfarrer Eggert und Arnold Vaatz auch versucht: Vom Standpunkt des »gesunden Menschenverstandes« ist es natürlich »verrückt«, das scheinbar Unabänderliche, angeblich historisch Gesetzmäßige »verrücken« zu wollen. Dabei geht schon manchmal was kaputt.

Noch gilt unser Ai bei bestimmten Menschen (nicht die besten, übrigens) als erfolgreicher Wirtschaftsverbrecher. Das kennen wir. Das haben diese Menschen (siehe oben!) auch schon bei Robert Havemann und Stefan Heym versucht. Allerdings ist unser Herr Ai kein kleiner Kunstmaler, der in einem winzigen Atelier in einem Pekinger Hüttendistrikt Postkartenmotive für das US-amerikanische Weihnachtsfest fertigt. Sondern ein Unternehmer, der die chinesische Wirtschaft kräftig wachsen läßt. Er beschäftigt zahlreiche Angestellte und unterhält offenbar mehrere Ateliers. Die Mitarbeiter seines Hongkonger Ateliers haben sich vorige Woche kollektiv vor der Weltpresse geäußert und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß man seine alte Mutter bald zu ihm lassen werde, die ihm frische Socken bringen wolle.

Ai ist auch ein Global Player oder will ein solcher sein. In Berlin hat er sich jüngst leergezogene Fabriketagen angesehen, die ihm als Studios dienen sollen, in denen er mit Gegenständen schmeißt. Menschen (wahrscheinlich die besseren), die ihn bei der Vorbereitung seiner Berliner Investitionen begleiteten, sagten, Ai glaube – wie einst Biermann, vom Westen aus seinen Kampf gegen den Kommunismus effektiver führen zu können, als wenn er dafür in Peking dauernd Genehmigungen einholen müsse.

Am Mittwoch liefen Menschen (unsere besten) vor dem Brandenburger Tor herum und hielten Schilder hoch, auf denen sie fragten »Wo ist Ai Weiwei?«. So eine Aktion gab es zum letzten Mal, als der Baulöwe Schneider in Leipzig seine Gläubiger um Millionen prellte. Die fragten auch, wo er denn sei. Ai aber wird dringend gesucht, weil er an der Berliner Universität der Künste eine Professur antreten soll, von der er wahrscheinlich noch nicht einmal weiß, daß sie ihn ereilte. Menschen (gute), die ihm nahestehen, äußerten jedoch, daß ein Lehrstuhl in Deutschland das Mindeste sei, was Ai als Kompensation für seinen Kampf gegen die chinesische Diktatur von den Deutschen erwarte. Also kann man wohl damit rechnen, daß er bis zu Semesterbeginn erscheint, ein bißchen herumbrüllt, mit diesem und jenem wirft und den Kunststudenten vormacht, wie man zwei Tische über Eck stellt und das als Kunstwerk unter der Rubrik »Works« im Internet zeigt.

Junge Welt, 23. April 2011

This Post Has 0 Comments

Leave A Reply