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… Philipp Rösler ein guter Mensch wäre?

… Philipp Rösler ein guter Mensch wäre?

Das wäre ein ungeheuerlicher Vorgang – nicht nur in der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern in der Geschichte des Nationalstaates überhaupt. Noch nie, seit Kaiser Barbarossa, wurde ein Politiker in Spitzenämter berufen, weil ihm der Ruf vorausging, er sei ein guter Mensch. Gewiß, kurzzeitig hatte Goebbels, der Hitlers Kampagne zu den Reichstagswahlen 1933 organisierte, mit dem Gedanken gespielt, den Führer als freundlich, humorvoll, höflich, konsensorientiert, eher weiblich, tier-und kinderaffin und mutterliebend vorzuführen. Das war aber nicht durchzuhalten, weil den Braunen der Browning im Wahlkampf zu locker saß. Einzig die Kinderliebe Hitlers konnte über Fotos dokumentiert werden, die ihn zeigten, wie er mit seinem Schäferhund spielte.

Aus dem ersten Bundestag nach dem Krieg wäre Rösler wegen Gutmenschentums herausgemobbt worden. Dort saßen ausgemachte Halunken (abgesehen von den Kommunisten, die aber wegen ständiger Anfälle von Brüderlichkeit und Gerechtigkeitssinn bald verboten wurden). Fortan galt als höchste politische Qualifikation die sogenannte Schlitzohrigkeit, also die Fähigkeit, andere zu übervorteilen. Das Erkämpfen und das Verteidigen von Macht war mit den ekelhaftesten Verhaltensweisen verbunden: Brutalität, Lüge, Drohungen, Korruption, Beschimpfungen, Erpressungen. Dregger, Barzel, Kohl, Genscher, Möllemann, Schily, Fischer, Schröder, Clement, Schäuble – eine Monstergalerie ausgemacht böser, zynischer, herzenskalter Männer. Oft kamen Frauen aus den Fraktionsräumen weinend herausgerannt – Adam-Schwaetzer, Gunda Röstel, Andrea Fischer, Leutheusser-Schnarrenberger – und klagten in die Mikrofone, was ihre Parteikollegen für Charakterschweine seien.

Um nach langer Leidenszeit in der politischen Bedeutungslosigkeit den politischen Durchbruch zu erzielen, verständigten sich die Liberaldemokraten eines Tages darauf, voll auf den fiesesten Typen zu setzen, den sie finden konnten: Westerwelle. Er schien zu jeder Intrige und zu jedem Haßausbruch fähig zu sein, und er enttäuschte sie nicht. Zudem hatte er einen natürlichen Vorteil: Er war auch noch abgrundtief häßlich. Wenn man heute in der FDP-Parteizentrale herumläuft, erzählen die Angestellten bereitwillig, wie sie sich vor dem großen Vorsitzenden gefürchtet und geekelt haben. Bei den Frauen im Schreibbüro hieß er »Die Guidotine«. Er ließ im Büroalltag keine Hinterhältigkeit aus – lediglich die sexuelle Belästigung von Frauen verbot er sich, das muß man zu seiner Ehrenrettung sagen.

In den Talkshows dieser Tage wurden folgende Qualifikationen Westerwelles vorgetragen: Mißtrauisch, humorlos, verbissen, cholerisch, diktatorisch, aggressiv, phantasielos, faul, verantwortungslos, lernunfähig, autistisch, haßerfüllt, karrieristisch, egozentrisch bis egomanisch, menschenverachtend, bindungsunfähig, tier, -kinder- und grünpflanzenfeindlich. Abends säuft er einen Liter heißes Blut, heißt es. Und im Urlaub steinigt er freilaufende Katzen und Rentnerinnen. Vergleiche mit Roland Freisler, Adolf Eichmann oder Günther Schabowski lagen in der Luft – und kommen sicherlich noch, wenn die FDP-Mitglieder wieder frei zu sprechen wagen.

Und nun also Philipp Rösler. Wenn eine Partei ihren Retter ins Gespräch bringt, rechnet man mit folgenden Elogen: Toller Stratege! Erstklassiger Fachmann! Außerordentlich erfahren und in blutigen Kämpfen erprobt! Durchsetzungsfähig, leidenschaftlich, führungsstark, glühender Verteidiger von Freiheit und Sonntagsruhe, auch unter Folter nie weich geworden usw. Kurz: eine Allzweck-und Wunderwaffe.

Rösler indes gilt als nett. Er weckt bei Frauen jenseits des Klimakteriums Mutterinstinkte, bei jüngeren schießt wahrscheinlich die Milch ein. Hunde und Kleinkinder laufen ihm nach. Er mag frische Blumen auf seinem Schreibtisch. Er hat einen unzweideutigen Kinderhumor. Ironie und Zoten versteht er nicht. Für seine Zwillinge spielt er gern mit Handpuppen. Er läßt sich auf die Schulter klopfen. Er hört gut zu und lächelt dabei. Er hat einen vertrauenserweckenden Händedruck und eine Frau, die gut zuhören kann. Er mag Salate und den deutschen Schlager. Er will, wenn er 45 ist, mit der Politik aufhören, damit sie nicht seinen klaren Charakter verdirbt. Ab dann will er von seiner Pension leben. Interviewfragen beantwortet er nett, korrekt und unkonkret. Aber auf eins kann man sich verlassen: Die Antwort endet stets mit : »…und darauf freue ich mich.«

Wir uns auch.

Junge Welt, 08. April 2011

This Post Has 1 Comment

  1. Sebastian says:

    Ich möchte in einer Zeit leben wo Politiker, nach ihren Fähigkeiten und der Politik, die sie machen beurteilt werden. Was jetzt wieder durch Rösler transportiert wird ist weitere Augenwischerei, die schon bei Guttenberg mächtig in die Hose ging. Ich freu mich also auch – auf die Fortsetzung.

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